23.09.2016 19:00 Uhr - 21:00 Uhr
Podiumsgäste:
Frau Freweyni Habtemariam, stellvertretene Vorsitzende von Eritrean Initiative for Dialogue
and Cooperation e.V.
Herr Dr. Mussi Habte, Politologe, Soziologe,Promotion zum Thema Bildung / Schulbücher in Eritrea, Autor, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen in Baden-Württemberg.
Herr Gerhard Faul, Dokumentarfilmer, Medienladen e.V. Nürnberg
Moderation:
Frau Dr. Salua Nour, Dozentin, FU
Die promovierte und habilitierte Politikwissenschaftlerin ist Privatdozentin an der Freien Universität Berlin und war unter anderem im Einsatz für die GIZ in der Demokratischen Republik Kongo im Bereich der Förderung des privaten Sektors und der Zivilgesellschaft.
Eritrea galt lange als ein weißer Fleck auf der Karte der Weltöffentlichkeit. Erneut in deren Blickfeld gerät es nun mit den Tragödien der vielen Menschen, die mit ihrer gefährlichen Flucht über das Mittelmeer Gefahren für Leib und Leben, Verfolgung und Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern zu entkommen versuchen.
Ein auffallend hoher Anteil stammt aus Eritrea. Laut den Vereinten Nationen fliehen 5.000 Menschen im Monat. Bis zu einem Viertel der eritreischen Bevölkerung soll das Land schon verlassen haben. Dreieinhalb Millionen Menschen sind noch in dem kleinen Staat am Roten Meer geblieben. Rund 70.000 Eritreer haben 2014 und 2015 den Weg nach Europa geschafft.
Unter dem Präsidenten Afewerki war das Land zunehmend in Isolation geraten. Nach dreißig Jahren Befreiungskampf und zwanzig Jahren Unabhängigkeit ist der Übergang zu einer Bürgerrepublik mit einer frei agierenden Zivilgesellschaft noch nicht vollzogen. Als einzige Partei ist die regierende ‚People’s Front for Democracy and Justice‘ erlaubt. Freie Journalisten aus dem Ausland werden kaum ins Land gelassen.
Der Dokumentarfilmer Gerhard Faul war mit einem Touristenvisum eingereist und drehte ohne Genehmigung drei Stunden Filmmaterial. Als Einstieg in die Podiumsveranstaltung wird der Regisseur seinen aus diesem Material destillierten 30 Minuten Film vorführen.
Die folgenden Auszüge machen deutlich, dass die Meinungen über Eritrea weit auseinander liegen.
Franziska Ulm von Amnesty International:
„Oppositionsparteien und Religionsgemeinschaften wie Zeugen Jehova sind verboten. Politische Gefangene werden in unterirdischen Zellen eingesperrt oder in Frachtcontainern in der Wüste.“
Petros Tseggai, Botschafter Eritreas in Deutschland:
„Gesundheit und Bildung sind kostenlos. Seit der Unabhängigkeit konnte die Sterberate bei Kleinkindern von fünfzehn auf fünf Prozent gesenkt werden. Die Analphabetenquote haben wir halbiert. Über das ganze Land verteilt wurden neue Hochschulen gegründet.“
Als zentrales Problem zeigt sich der nach wie vor hohe Grad der Militarisierung. Alle Oberschüler müssen das Abitur im Militärlager Sawa ablegen. Anschließend folgt eine militärische Grundausbildung.
Ismail Ahmedin, Mitarbeiter im ‚Eritrean National Congress for Democratic Change‘:
„Die Regierung transportiert die Schüler nach Sawa um sie ideologisch auf Linie zu bringen. Das Regime von Isayas Afewerki ist eine Militärdiktatur. Alle Entscheidungen trifft der Präsident.“
Zeitungen, Radios und Eri-TV unterliegen der Zensur durch das Informationsministerium. Kritik an Missständen kommt in der Berichterstattung nicht vor.
Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen:
„In den letzten Jahren wurden 34 Journalisten verhaftet und mindestens vier Pressevertreter sind in der Haft gestorben.“
Dagegen der Botschafter Petros Tseggai:
„Die Regierung verbot private Zeitungen weil sie vom Ausland finanziert wurden. Solange kein Frieden mit Äthiopien herrscht, gilt der Ausnahmezustand. Es gibt keine politischen Gefangenen in Eritrea.“
Die Podiumsgäste werden folgende Fragen diskutieren:
- Warum fliehen Menschen aus Eritrea
- Eritra vom Hoffnungsträger zum abschreckenden Beispiel – wie konnte das geschehen?
- Die verabschiedete Verfassung
- Presse- und Meinungsfreiheit
- Was bedeuten die immensen Ausgaben für Rüstung?
- Was passiert nach dem Abgang von Präsident Afewerki?
- Was sind die Ideen der Bundesregierung und der EU eigene Verantwortung wahrzunehmen und zur Bewältigung dieser Herausforderung beizutragen?